Atomenergie und Rückbau
Der Countdown läuft. Das Atomkraftwerk in Grafenrheinfeld soll Ende Juni vom Netz genommen werden, was bei vielen Bürgern nicht nur für Erleichterung sorgt. Unser Leser Manfred Weber interessiert sich seit Jahrzehnten für Atomenergie. Für ihn ist sie ein „ein Beispiel für Systemfehler, die irgendwann einmal gedankenlos gemacht werden und hinterher, weil man nicht zugeben will, dass etwas falsch lief, nicht mehr rückgängig gemacht werden. Ausbaden müssen das Ganze dann die Folgegenerationen.“ In einem Gastbeitrag stellt er seine Meinung über den Rückbau und die damit verbundenen Tücken dar und liefert Vergleichszahlen, die er selbst berechnet hat.
Ein Gastbeitrag von Manfred Weber
Erfolgsgeschichte Atomkraft?
„Am 20. Juni soll es nun endgültig so weit sein. Das AKW Grafenrheinfeld wird nach einigem Hin und Her, und wenn auch der letzte Brennstab ausgelutscht ist, abgeschaltet. Danach kann der Rückbau beginnen und alles wird sein wie vorher. Wirklich?
Endgültig rückgebaut wurden bisher drei Reaktoren, ehrlicherweise sollte man von Reaktörchen sprechen: Kahl I, Kahl II und Niederaichbach. Während Grafenrheinfeld auf eine Nettoleistung von 1275 MW kommt, waren es in den Kraftwerken Kahl I 15 MW, Kahl II 25 MW und Niederaichbach 100 MW. Kahl I war von 1962 – 1985 in Betrieb, der Rückbau wurde ab 1986 vorbereitet und dauerte schließlich von 1988 – 2010, also etwas länger als der Betrieb.
Besonders krasser Fall: Niederaichbach
Der Abriss verschlang mit 150 Mio. Euro mehr als sieben Cent pro erzeugter KWh. Nicht eingerechnet sind dabei die künftigen Kosten für Überwachung, Lagerung und Entsorgung des angefallenen Atommülls. Etwas schneller ging es bei Kahl II, das allerdings auch wegen Fehlern nie voll betrieben werden konnte und nach nur eineinhalb Jahren 1971 wieder abgeschaltet wurde.
Niederaichbach kann als besonders krasser Fall von Rentabilität angesehen werden: Betriebsdauer von 1. Januar 73 bis 21. Juli 74, wegen technischer Probleme entsprach die bereitgestellte Energiemenge nur 18 Tagen Volllastbetrieb. Der Rückbau (ohne Folgelasten) kostete 192 Mio. Euro was einem Betrag pro erzeugter KWh von 12,80 Euro entspricht.
AKW Grafenrheinfeld: Mehr als 30 Jahre Betriebsdauer
Nun wird das AKW Grafenrheinfeld wenn es im Juni stillgelegt wird, auf mehr als 30 Jahre Betriebsdauer gekommen sein. Mit 234 Zwischenfällen konnte es immerhin den dritten Rang in der Pannenstatistik des BfS erreichen. Mit dem Rückbau der Kühltürme soll sofort begonnen werden, ab 2018 will der Betreiber E.ON dann die radioaktiven Anlagenteile demontieren, bis 2030 plant man, den Rückbau beendet zu haben.
Die Kosten dafür werden auf 1 Mrd. Euro geschätzt. Folgekosten für Bewachung, Lagerung und Aufbereitung des radioaktiven Mülls sind naturgemäß weder vorauszusehen noch abzuschätzen. Auf dem Gelände von Isar I (Betreiber E.ON) warten 24.000 Tonnen kontaminierter Beton auf eine letzte Ruhestätte.
Im Falle einer Pleite zahlt der Steuerzahler
Aufhorchen lässt allerdings, dass die AKW-Betreiber planen, die Firmenteile, die die Abwicklung der Atommeiler übernehmen, abzuspalten und mit den dafür gebildeten Rückstellungen auszustatten. Im Fall einer Pleite dieser Unternehmensteile, falls das Geld nicht reichen sollte, würden die zusätzlich entstehenden Kosten somit auf den Steuerzahler abgewälzt.
In diesen Kontext passt eine Meldung der Süddeutschen Zeitung vom 30. April 2015, dass sich die Kosten für den Rückbau der bundeseigenen Kernforschungsanlagen in Karlsruhe und Jülich von 2,1 Mrd. Euro (Stand 2010) auf 4,2 Mrd. Euro (Stand 2014) verdoppelt haben. Und der Zeitraum bis diese Arbeiten abgeschlossen sein sollen wurde von 2035 auf 2065 verschoben. Also noch ausreichend Zeit für weitere Aufwärtskorrekturen.“
Hierbei handelt es sich um einen Gastbeitrag eines Lesers. Meinungsbeiträge von Lesern spiegeln nicht automatisch die Meinung der Redaktion wieder.