Wir spielen seitdem wir klein sind und haben auch im Erwachsenenalter noch Freude daran. Denn es ist eine schöne Abwechslung zum sonst recht ernsten Alltag und macht vor allem in einer gemeinsamen Runde Spaß. Doch was ist, wenn aus Spielen Ernst wird? Was ist, wenn man alles auf eine Karte setzt und vom Spielwahn nicht mehr los kommt?
Ruckzuck im Bann der Spielsucht
Man trifft sich in der Freizeit zu einer kleinen Poker- oder Skatrunde und spielt um kleine Geldbeträge. Mal gewinnt man und mal verliert man eben – ganz normal. Doch für manche wird das Spielen immer wichtiger, sie verlieren die Kontrolle und investieren immer mehr Zeit und Geld in die Glücksspiele. Wie bei vielen Suchterkrankungen auch, entwickelt sich die Spielsucht in verschieden Phasen, wobei der Beginn einer Sucht schwer zu bestimmen ist. Glücksspiele unterscheiden sich von anderen Spielen in dem Sinne, dass man Geld oder einen Vermögensgegenstand einsetzt. Außerdem entscheidet meist der Zufall, wie das Spiel ausgeht.
Gewinnphase
In der ersten Phase, auch Gewinnphase genannt, ist der Spielende zunächst euphorisch, denn er hat immer wieder kleine Summen gewonnen. Der Erfolg wird auf das eigene Geschick zurückgeführt, dass es jedoch eher auf Glück und Zufall beruht, wird ausgeblendet. Der Spielende ist guter Dinge, spielt weiter um noch größere Gewinne zu erzielen. Dabei bemerkt er nicht, dass er bereits in die Spielsucht hineingerutscht ist. In der „Glückszene“ werden zunehmend Kontakte geknüpft, man taucht in eine andere Welt und ist in der Einstiegsphase sehr risikobereit.
Gewöhnungsphase
Was folgt ist die kritische Gewöhnungsphase, in der der Spielende durch die höheren Verluste bereit ist, auch höhere Beträge einzusetzen. Das Spielen wird für die Betroffenen immer wichtiger, unzählige Stunden werden in der Spielhalle verbracht und dabei Familien und Freunde vernachlässigt. Oft kommt es dazu, dass sich die Glücksspieler Geld leihen und sich regelrecht Ausreden dafür ausdenken. Allerdings kann in dieser Phase das Glückspielen noch gebremst werden.
Verzweiflungsphase
Im dritten Stadium, auch Verzweiflungsphase genannt, hat der Betroffene komplett die Kontrolle über das Spielen verloren. Der Gewinn wird sofort wieder eingesetzt, Beginn und Ende des Spielens kann kaum noch unterschieden werden. Alles dreht sich nur noch um das Glücksspiel, die Ausreden für die Familie und die Freunde werden größer, die Selbstverzweiflung wächst. Bei vielen treten Entzugserscheinungen auf, welche sogar zu Selbstmordgedanken führen können. Von der anfänglichen Freude ist nichts mehr zu spüren, so automatisch-verloren.de.
Wie kann man helfen?
Wie kann man nun Menschen, die spielsüchtig sind, aus ihrer Sucht heraus holen und wer verfällt vor allem der Spielsucht? Stefan Glos, Dipl.-Sozialpädagoge bei der Psychosozialen Beratungs- Behandlungsstelle, Abteilung Suchtberatung, der Diakonie Schweinfurt hat uns diese Fragen aus seiner Erfahrung heraus beantwortet.
Schweinfurt City (SwC): Wer verfällt denn vor allem der Spielsucht?
Stefan Glos: „Wer der Spielsucht verfällt, lässt sich nicht so einfach benennen. Die Faktoren, welche bei der Entwicklung einer Spielsucht eine Rolle spielen, sind von Betroffenem zu Betroffenem unterschiedlich und bedingen sich oft wechselseitig. Meist müssen mehrere Faktoren zusammenkommen, damit eine Spielsucht entsteht. Faktoren, die eine Rolle dabei spielen, sind zum Beispiel: Langeweile Einsamkeit bzw. kaum oder keine sozialen Kontakte oder soziale Kontakte mit anderen Glücksspielern.
Zu beobachten ist, dass viele zunächst eher zufällig mit dem Glücksspiel in Berührung kommen und sich dann in der Folge, ausgelöst durch größere oder mehrere kleinere Gewinne, die Spielhäufigkeit erhöht. Dies mündet durch die dann entstandenen Gewinnerwartungen („es hat ja schon mal geklappt“) in sehr vielen Fällen in eine Abhängigkeit mit weiteren Folgeproblemen (Versuch, Verluste wieder „reinzuholen“; Belügen von Angehörigen; Psychische Belastungen; Suizidgedanken).“
SwC: Wie sieht der Weg aus der Sucht heraus aus?
Stefan Glos: „Auch die Wege aus einer Suchterkrankung sehen unterschiedlich aus. Dabei kann zum Beispiel die Fachstelle Glücksspielsucht des Diakonischen Werkes Schweinfurt helfen. Diese Fachstelle wird durch die Landesstelle Glücksspielsucht in Bayern, wie 22 weitere Fachstellen, finanziert. In ersten Gesprächen wird zunächst versucht, die Situation des Betroffenen zu analysieren, um daran anschließend Ansatzpunkte für nötige Veränderungen oder auch Kriseninterventionen zu finden. Erste Versuche im ambulanten Setting, die Situation zu ändern und damit das Spielverhalten zu reduzieren bzw. einzustellen, können folgen.
Stellt sich heraus, dass eine stationäre Rehabilitation zur Überwindung der Problematik nötig ist, werden die Betroffenen bei der Beantragung einer Therapie unterstützt und bis zum Beginn der Therapie begleitet. Auch nach einer stationären Therapie sind viele Betroffene weiterhin im Rahmen einer ambulanten Nachsorge regelmäßig zu Gesprächen in der Beratungsstelle, um weiterhin spielfrei zu bleiben.“
SwC: Wie unterstützt die Schweinfurter Beratungstelle die Angehörigen?
Stefan Glos: „Auch Angehörige können sich in der Beratungsstelle beraten lassen. Oft haben Angehörige über einen langen Zeitraum versucht, den Betroffenen zu verändern. Sie haben finanzielle Engpässe überbrückt, Schulden übernommen, schlaflose Nächte erlebt, haben den Betroffenen hinterherspioniert oder Ausreden anderen gegenüber erfunden. Sie haben in ihrer Wut Konsequenzen angedroht und doch nicht eingehalten. Sie sind am Ende ihrer Kräfte. Enttäuschung und Hilflosigkeit gewinnen die Oberhand. Bei Angehörigen ist es wichtig, ihnen klar zu machen, dass sie ihr Leben wieder selbst in die Hand nehmen sollten und können. Angehörige müssen oft wieder lernen, an sich zu denken und Dinge zu tun, die ihnen gut tun.
Eine klare Grenzensetzung den Betroffenen gegenüber kann es ermöglichen, dass der Betroffene für sein Handeln (Spielen) selbst die Verantwortung übernehmen muss und hierduch möglicherweise die Veränderungsbereitschaft bei den Betroffenen gefördert wird. Bei all diesen Prozessen benötigen Angehörige Unterstützung und Entlastung durch Gespräche. Das ist oft ein schwieriger und langwieriger Prozess, da Anghörige immer wieder das Gefühl haben, den Betroffenen im Stich zu lassen.“
Hilfe holen ist keine Schande!
Laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen haben ca. 455.000 Deutsche mit der Spielsucht zu kämpfen. Die Spielsucht ist also keine Seltenheit. Für Betroffene ist es besonders wichtig, sich Hilfe zu holen und über die Sucht zu sprechen. Zögert bitte also nicht, euch professionelle Hilfe zu holen, wenn ihr selbst betroffen seid oder jemand in eurem Umfeld! Eine Anlaufstelle ist die Psychosozialen Beratungs- Behandlungsstelle (Zehntstr. 22).
Außerdem bietet die Ambulanz für Spielsucht der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz anonyme und kostenlose Beratungen an. Zudem gibt es die Hotline Glücksspielsucht. Unter 0800-0776611 können sich Betroffene und Angehörige hier professionell beraten lassen.