Pflegeheime werden in der aktuellen Coronakrise auf eine harte Probe gestellt. Das Problem: Enger Körperkontakt gehört zur Berufsbeschreibung einer Pflegekraft, wodurch der eigentlich absolut notwendige und vorgeschriebene Mindestabstand von 1,5 Metern zwischen Personen nicht eingehalten werden kann. Zudem gehören Senioren noch zur Risikogruppe – die Wahrscheinlichkeit, an COVID-19 zu erkranken, ist bei diesen um ein Vielfaches höher. So kämpft auch die AWO Unterfranken mit der momentanen Situation. Die AWO Unterfranken sieht laut eigener Aussage in den Medien teilweise eine verzerrte Darstellung der Lage in den Pflegeheimen. Gerade Würzburg wurde zuletzt immer wieder als trauriges Beispiel genannt. Darum haben wir die AWO Unterfranken einfach mal zum Interview gebeten, um die Situation zu schildern.

Ulrike Hahn von der AWO Unterfranken klärt auf, wie die aktuelle Lage in den Pflegeeinrichtungen ist. Foto: AWO Unterfranken
Die AWO Unterfranken im Interview
Ulrike Hahn – Bereichsleitung Senioren und Reha bei der AWO Unterfranken – schildert, wie es in den Pflegeheimen der AWO Unterfranken momentan aussieht.
Schweinfurt City (SwC): Frau Hahn, wie ist die Situation in den Einrichtungen, die nicht vom Coronavirus betroffen sind? Ist alles unter Kontrolle?
Ulrike Hahn: In den Einrichtungen, die nicht vom Coronavirus betroffen sind, läuft es rund! Die Mitarbeiter sind kreativ und tun wirklich alles für die Bewohner, organisieren zum Beispiel Konzerte, Kinonachmittage und so weiter. Es gibt viele schöne Momente. Bei den Häusern, die vom Virus betroffen sind, sieht es natürlich leider anders aus.
SwC: Wie viele Pflegeeinrichtungen sind vom Coronavirus betroffen?
Ulrike Hahn: Im Verband gibt es insgesamt 18 Einrichtungen. Von den 18 Einrichtungen sind zwei betroffen. Das ist einmal das Hans-Sponsel-Haus in Würzburg und das zweite Haus ist das Seniorenzentrum Niederwerrn im Landkreis Schweinfurt. Über kurz oder lang wird es aber – meiner Meinung nach – annähernd alle Häuser treffen.

Einrichtung Niederwerrn: Die Mitarbeiter der AWO Unterfranken leisten in der aktuellen Coronakrise noch mehr als üblich und stellen dabei eigene Bedürfnisse zurück. Foto: AWO Unterfranken
„Die Stimmung ist den Umständen entsprechend gut.“
SwC: Wie ist aktuell die Lage in den vom Coronavirus betroffenen Pflegeeinrichtungen?
Ulrike Hahn: Ich erlebe unter den Mitarbeitern eine sehr große Solidarität. Es wird alles getan, um die Situation für die Mitarbeiter und Bewohner so zu gestalten, dass sie sicher sind und zum anderen, dass es trotzdem noch schöne Abwechslungen gibt.
SwC: Wie sieht es in Sachen Schutzausrüstung aus?
Ulrike Hahn: Bis jetzt war es so, dass wir eigentlich immer von der Hand in den Mund gelebt haben. Wir haben von allen möglichen und unmöglichen Quellen versucht, FFP-2-Masken, normalen Mundschutz und Schutzmäntel zu bekommen. Einen kleinen Teil dazu hat auch der Katastrophenschutz beigetragen. Wir hatten glücklicherweise immer die Situation, noch ausreichend Schutzkleidung einsetzen zu können. Jetzt wurde tatsächlich eine größere Menge an FFP-2-Masken geliefert. Die haben wir selbst organisiert. Was die Schutzmängel angeht: Wir hoffen, dass wir Ende April eine Lieferung erhalten. Dadurch wären wir erstmal auf der sicheren Seite. Aber die Frage ist immer: Kommt sie oder kommt sie nicht?
SwC: Wie geht es den Mitarbeitern? Wie ist die Stimmung im Team?
Ulrike Hahn: Die Stimmung ist den Umständen entsprechend gut. Man muss einfach sagen: Gerade in den betroffenen Häusern haben die Mitarbeiter bisher tolle Arbeit geleistet – weit über das zu Erwartende hinaus. Anders wäre es auch gar nicht möglich gewesen. Am Wochenende wurde durchgearbeitet und Dienstzeiten verlängert. Der Mehraufwand, der dann noch zusätzlich aufkam, war einfach Wahnsinn! Wir haben zum Beispiel eine Kohortenisolation durchgeführt. Heißt, negativ getestete Bewohner und positiv getestete Bewohner wurden getrennt. Hier hat auch die Freiwillige Feuerwehr geholfen. Trotzdem mussten die Mitarbeiter dann natürlich noch die Angehörigen und Bewohner informieren, die Zimmer zur Verfügung stellen, ständige Nachtestungen organisieren und die Behörden bedienen. Das haben die Mitarbeiter alle gestemmt. Das kann man gar nicht hoch genug anrechnen!

Das Hans-Sponsel-Haus in Würzburg ist eine der zwei Einrichtungen des Verbands AWO Unterfranken, welche vom Coronavirus betroffen sind. Foto: AWO Unterfranken
„Die Situation im Haus ändert sich täglich.“
SwC: Hat sich am Ablauf in den Einrichtungen viel geändert?
Ulrike Hahn: Ja, am Ablauf hat sich viel geändert. Bevor das alles losging haben wir schon einen Pandemieplan erstellt. Und jetzt ging es darum, die Einhaltung der Hygienerichtlinien zu überprüfen. Die Situation im Haus ändert sich täglich. Die Abläufe müssen dann immer dementsprechend angepasst werden. Kurz zusammengefasst: Ständig andere Abläufe in einer Krisensituation mit weniger Personal und mehr Arbeit.
SwC: Wieso weniger Personal?
Ulrike Hahn: Wenn das Virus in so eine Einrichtung gelangt, hat man sofort eine Extremsituation im Haus, da man in dem Moment ganz viele Mitarbeiter verliert. Zum einen die Mitarbeiter, die direkten Kontakt zu den Bewohnern hatten und zum anderen jene, die dementsprechende Symptome zeigen – auch wenn dahinter nur eine bloße Erkältung steckt. Und dann darf man auch die Mitarbeiter nicht vergessen, die Ängste haben und daheim bleiben. Das Problem an der ganzen Sache ist: Mitarbeiter fallen weg, um geschützt zu werden oder um die Bewohner zu schützen. Zeitgleich braucht man aber eigentlich sofort mehr Mitarbeiter, da ein enormer Mehraufwand entsteht.
Coronavirus: Die AWO Unterfranken sucht Hilfe für den Ernstfall
SwC: Wie gehen die Angehörigen mit der Situation um? Gibt es Verständnis bezüglich des Besucherverbots?
Ulrike Hahn: Die Angehörigen sind sehr verständnisvoll. Ganz selten gibt es Kritik. Gleichwohl spürt man natürlich die Sorge der Angehörigen, das ist ja nachvollziehbar. Sie dürfen nicht ins Haus und können sich nicht selbst vom Wohlbefinden der Angehörigen überzeugen. Das ist nicht leicht. Die Ängste und Sorgen versuchen wir wiederum durch persönliche Gespräche aufzufangen. Außerdem wollen wir die Angehörigen kontinuierlich informieren. So haben wir auf unserer Homepage für die Häuser extra Seiten eingerichtet, die nur durch Angehörige mittels eines Kennworts ersichtlich sind. Hier können sich die Angehörigen über Aktuelles informieren – zum Beispiel über die aktualisierten Zahlen, welche Neuerungen es gibt, Bilder von Bewohnern in bestimmten Situationen einsehen und so weiter. So soll eine größtmögliche Transparenz für die Angehörigen der Bewohner geschaffen werden.
SwC: Gibt es schlussendlich noch etwas, was Sie gerne loswerden möchten?
Ulrike Hahn: Die Mitarbeiter sind sehr engagiert und stellen ihre eigenen Bedürfnisse zur Zeit stark zurück. Ich wünsche mir sehr und ich glaube, es ist absolut notwendig, dass die Wertschätzung nach der Coronakrise nicht nur mit Klatschen oder Lob gezeigt wird, sondern dass sich da was tut: Stichworte finanzielle Aufwertung, bessere Stellenschlüssel und weniger Bürokratie. Und dass die Mitarbeiter in der Altenpflege als qualifizierte Fachkräfte wahrgenommen werden! Ich habe oftmals den Eindruck, dass alle anderen meinen, besser zu wissen, wie Altenpflege funktioniert.